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Canon RP in 2024: Ambitioniert mit kleinem Budget

Oder die Profi-Kamera für FotografInnen, die wissen, was sie tun. Was ich damit meine? Kurzfassung, wenn du nach einem guten digitalen Werkzeug für Vollformat Fotografie im manuellen Modus suchst, wenn du langfristig in der Fotografie wachsen möchtest und darauf stehst, gewissen Dinge selbst einzustellen, anstatt der Technik zu überlassen, lese weiter.

Falls es hingegen ein Hobby ist und deine Bilder deine eigene Festplatte abgesehen von Familienalben nicht verlassen, wird sie wahrscheinlich nicht deine Kamera sein.

Warum das so ist? Beginnen wir mit einer Übersicht:

Ich habe mir die RP Mitte 2019 gekauft mit dem Vorhaben mich als Fotograf selbstständig zu machen. Erst nachdem ich das Gerät versichert hatte, habe ich mich getraut, die Kamera auch einzusetzen, schließlich waren meine zu vorigen Kameras weit günstiger.

Ende 2019 nahm ich sie mit einem neuen 35 mm RF Objektiv nach Japan und nutze drei Wochen intensiv, um die Kamera und Festbrennweite kennenzulernen.

Taxi unter einer Brücke in der Hauptstraße Akihabaras Hokuriku, Toyko, Japan.

Jetzt zum Ende von 2022 lege ich diese fantastische Kamera ins Regal, denn meine Ansprüche an mein Berufswerkzeug verlagert sich immer mehr in den filmischen Bereich und hier kann ich gleich ein Manko an der RP vorweg schießen, es ist keine Wahl für Videografen. Eine Schwäche, die besonders in Hinblick auf aktuelle Konkurrenz klar hervorsticht.

Wenn man sich allerdings mit der Technik der Fotografie etwas auskennt oder auskennen möchte, dann kann die Canon RP eine der besten Kameras für FotografInnen mit Ambitionen sein.

Im Laufe der Jahre habe ich mit ihr Portraits fürs Private, Business-Headshots, Reportagen, Hochzeiten und auch Produktfotos geschossen. Und immer, wenn ich technisch alles richtig umgesetzt habe, hat sie mir hervorragende Bilder geliefert, die sich nicht vor dem Auge meiner KundInnen verstecken mussten – Ganz im Gegenteil.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass ich auf der RP das Fotografieren gelernt habe.

Eine Kamera zum Wachsen

Damit Ihr wisst, ob die RP für euch ist, wo Ihre Stärken und Schwächen liegen, möchte ich euch hier meine Erfahrungen nach drei Jahren intensiven Einsatz teilen.

Dabei werde ich nicht Pixel zählen oder auf Bild-Vergleiche mit anderen Modellen eingehen, es wird um die Freude in der Handhabung, die Möglichkeiten und Limitierungen der Kamera gehen, mit welcher ich Hobby zum Beruf gemacht habe.

Vergleichsbild von meinen Portraitarbeiten aus dem Jahr 2019 und 2021 mit dem Model Eva. 2023 sollte es mal wieder so weit sein.

Fangen wir an mit der offensichtlichsten Frage, warum sollte man noch knapp 1000 Euro für eine Kamera bezahlen, von welcher es bereits Nachfolgemodelle gibt, die modernere Technik verbaut, bessere Ergebnisse im Videobereich bringen und dazu noch in derselben Preiskategorie spielen, wie die Canon R10. Die Antwort ist der Vollformat-Sensor – Full Frame.

Hilfreich für Profi-FotografInnen, der Vollformat-Sensor

Der Selling-Point der RP, heute sowieso vor vier Jahren war und ist, dass sie eine der, wenn nicht die günstigste Vollformat Kamera auf dem Markt ist. Vollformat bedeutet, dass der Sensor, auf welchen das Licht durch das Objektiv ein Bild zaubert (hokus pokus, Fokus verfehltus, frustus großus), größer ist, als bei herkömmlichen Kameras.

Damit gibt es mehr Bild, im Bild… etwa wie eine Visitenkarte mehr Raum hat ist als eine Briefmarke, vergrößert sich auch der Bildbereich. Das bringt mehr Schärfe, gibt mehr Freiheit beim Zuschneiden der Bilder und ist damit eine gute Basis für professionelles Arbeiten im Fotografie-Bereich.

Vollformat haben in etwa den 1.5-fachen Bildbereich von APS-C Sensoren.

Zudem macht es für FotografInnen, die ihre Passion langfristig auch beruflich verfolgen möchten, durchaus Sinn in Vollformat zu investieren: Denn Objektive von APS-C-Kameras (das häufig günstigere und kleinere Sensor-Format gegenüber Vollformat), füllen den Sensor von Vollformat-Kameras nicht. Das heißt, wer von APS-C-Kamera auf das Vollformat wechselt, braucht häufig nicht nur eine neue Kamera, sondern dazu gleich komplett neue Objektive.

Ergo, wer gleich in Vollformat investiert, spart sich langfristig eine komplette Neuanschaffung der Objektiv-Sammlung. That beeing said, man braucht das Vollformat nicht zwangsweise, manchmal sogar gar nicht, besonders dann, wenn der Fokus auf Filmen gelegt wird.

Gerade in der Produktfotografie sind Vollformat-Kameras sehr beliebt, da sie mehr Pixel und damit Schärfe/Details auf denselben Bildausschnitt produzieren können.

Vollformat heißt übrigens nicht, dass die Kamera lichtstärker ist als andere. Die RP ist in puncto Lichtstärke nicht überragend, persönlich habe ich immer vehement versucht unter ISO 1600 zu bleiben, um Details nicht zu verlieren. Besonders gute Kontrolle über Lichtstärke hat man, wenn man lernt die Kamera manuel zu bedienen, wie das funktioniert kann man hier lesen.

Technische Schwächen: HD Film ok, 4K definitiv ne

Wie schon erwähnt, haut mich die Video-Qualität der RP nicht um. Zum einen kann sie nicht im C-Log filmen, welches Canons Video-Antwort auf RAW Dateien ist und sich im Nachhinein besser bearbeiten lässt. Zum anderen nutzt die Kamera im 4K-Modus lediglich nur einen Teil des Vollformat-Sensors, was den Aufnahme-Bereich verkleinert und abschließend, fällt in diesem Modus der Dual-Sensor Autofokus weg: Was in der Praxis heißt, in 4K fokussiert man lieber manuell.

Apropos Fokus, wer den Feineinstellungen beim Autofokus sucht, wird bei der RP im Vergleich zu so manchen Nachfolgemodellen nicht fündig, was gerade beim Tracken von Motiven, die nicht zwei Augen und eine Nase haben, frusten könnte.

Portfolio-Fitness Trailer zusammen mit Model Micha aufgenommen zum Filmen üben auf der Canon RP.

In HD hingegen ist die RP schon OK. Die Qualität ist gut, die Bedienung recht einfach und es lassen sich problemlos, nach einem Update der Firmware, Aufnahmen mit 60 Bildern die Sekunde aufzeichnen. Für ambitionierte Hobby-Filmende oder Social-Media-Content ist die Kamera also völlig ausreichend, im professionellen Film-Bereich sehe ich sie allerdings nicht.

Minimal nervig kann auch die Einschränkung auf eine maximale Aufnahme-Zeit von einer halben Stunde sein, denn nach 30 Minuten muss man den roten Record-Knopf erneut drücken. Dieses Manko stört zwar nur in seltenen Momenten, etwa bei der Aufnahme eines Konzertes, einer Vorlesung oder Ähnlichen, kann allerdings ganz schön frusten, wenn man von dem großen Auftritt der Kinder nur die erste halbe Stunde aufgenommen hat.

Damit ist die RP eine Kamera, in der man sich technisch im Foto-Bereich wohlfühlt, im filmischen Spektrum ausprobieren kann und Herumprobieren macht, mit der RP, ziemlich viel Freude.

Handhabung und Ergonomie

Die größte Stärke der RP ist und war für mich immer die sehr angenehme Haptik, hier hat Canon absolut alles richtig gemacht. Die RP liegt fantastisch in der Hand, die Verarbeitung wirkt hochwertig und die Größe der Kamera ist genau mein Geschmack: Groß genug, dass sie sich wie eine vollwertige Profi-Kamera anfühlt, aber leicht und kompakt genug, dass man sie ohne Schwierigkeiten eine gesamte Hochzeit lang tragen kann. Zudem hat jeder Knopf und jedes Rad seine Daseinsberechtigung, erfüllt eine sinnvolle Funktion und trägt zu einer angenehmen Bedingung bei.

Dadurch lassen sich auch sämtliche Knöpfe/Einstellungen mit etwas Übung leicht einhändig anpassen, was in der Praxis einen sehr flüssigen Workflow mit sich bringt. Ganz besonders dann, wenn man das Set mit einem RF-Objektiv mit zusätzlichem Einstellrad erweitert.

Tokyo, Japan, aufgenommen mit dem praktischen 35 mm RF von Canon. Das ist nicht nur kompakt, sondern bringt auch einen zusätzlichen Einstellring am Objektiv.

Damit hat sie für mich einen Sweetspot zwischen der R5 und R10. Die R5 ist schwerer, größer und dadurch sind die Knöpfe auch etwas weiter voneinander entfernt, um hier Einstellungen anzupassen, muss ich mit der linken Hand die Kamera halten. Außerdem merke ich das Gewicht im Handgelenk durchaus bereits nach zwei Stunden.

Die R10 hingegen ist mir zu klein und leicht, während mein kleiner Finger bei der RP guten Grip findet, sucht er bei der R10 vergeblich Halt. Kurz gesagt, einfach angenehm zu bedienen.

Menüs und individuelle Knöpfe

Eine Sache, die man allen Canon Kameras zusprechen kann, sie haben sowohl ein übersichtliches, einfaches Menü mit vielerlei Hilfstexten zu beinahe jeden Einstellungspunkt und auch die RP ist keine Ausnahme. Die Menüs sind einsteigerfreundlich und die zusätzliche Möglichkeit, die einzelnen Knöpfe und Räder der Kamera individuell belegen zu können, lässt wenig zu wünschen übrig.

Schwacher Sucher und starker Bildschirm

Viel zu wünschen übrig hingegen lässt der optische Sucher der RP, weder von den Farben noch von der Helligkeit oder Auflösung überzeugt er mich. Da habe ich mit Spiegelreflex-Kameras wie der Canon 70d erheblich bessere Erfahrungen gemacht.

Ein Manko, welches mich in der Praxis nie sonderlich gestört hat, denn die RP hat einen hervorragenden ausklappbaren Bildschirm, der fotografieren aus verschiedensten Perspektiven so einfach macht, dass man es bei einer digitalen Kamera schnell nicht mehr missen möchte.

Hier spielen der stabile Autofokus und die gute Ergonomie der Kamera sehr gut ineinander und animieren schnell, die Kamera nicht mehr gepresst an das Gesicht, sondern als eine Verlängerung des Armes zu benutzen. Im Laufe der Jahre nutzte ich meine RP weit über meine Schultern in die Luft oder in der Hocke, mit nach oben geklappten Bildschirm, nah an dem Asphalt, damit ermöglichte sie mir Bilder, die ich mit einer anderen Kamera nie geschossen hätte.

Portrait des Münchner DJ 1/2 potatoe von dem Fotografen Steins Pictures aka Daniel Schubert auf einem Skateplatz.
Geschossen mit einem Ultra-Weitwinkel Tamron, 18-35 mm f2.8, übrigens ein fantastisches Objektiv!

Überhaupt verstehe ich nicht, warum so viele Kamerahersteller auf diese Art von Klappdisplay noch verzichten.

Kleines Manko, Ersatzakku und Adapter

Wer sich für eine RP entscheidet und professionell arbeiten möchte, also im RAW-Dateiformat fotografiert, der wird auf Dauer nicht auf einen Ersatzakku verzichten können. Fotografiere in JPEG hingegen ist überhaupt kein Problem, ich habe mit einer Akku-Ladung einen kompletten Tag durch über 1500 Bilder fotografiert und die Batterie hatte noch Power. In RAW, bei einem Shoot über zwei Stunden, geht der RP die Luft aus und ein frisch geladener Akku muss her.

Ein weiteres kleines Manko, welches auch irgendwie in der Zukunft ein Vorteil sein könnte, ist der RF-Bayonett Anschluss. RF ist das neue Objektiv-System von Canon und löst die EF-Objektive ab. Neue Objektive und modernere Technik sind natürlich erstmal etwas spannender als ein Anschluss, den es seit 1987 gibt: Es gibt leider nur nicht so viele davon und zudem, sind sie bis dato ziemlich teuer!

Hach, da waren die Haare noch nicht so grau… Halt, ich meine polarblond. Das Canon RF 35 mm ist mit dato 550 Euro eines der günstigeren RF-Objektive. Wer ein lichtstärkeres haben möchte, wird im dreistelligen Bereich suchen dürfen.

Besonders ärgerlich hierbei ist, dass Canon im Moment (Stand Januar 2023) Drittanbietern nicht gestattet, Objektive mit dem neuen Objektiv-Anschluss herzustellen, was heißt, dass man immer auf den RF zu EF-Adapter greifen muss, wenn man zum Beispiel Sigma-Art-Objektive benutzen möchte (Ich entschuldige mich aufrichtig für diesen langen Satz und die häufige Nennung des Wortes Objektive… OBJEKTIVE, ok ab jetzt nennen wir sie einfach Glas).

That beeing said, RF wird der neue Anschluss von Canon sein und in diesen zu investieren ist zukunftssicher.

Netter Bonus: Gut im Regen und mit Vintage Glas

Ich habe die RP in strömenden Regen auf den Christopher Street Day benutzt und sie hat sich absolut nichts anmerken lassen. Schlimmer noch, ich bin mit ihr versehentlich baden gegangen während eines Shootings in einem Teich und sie hat tapfer, weiter Bilder gemacht, bis ich sie dann endlich ausgeschaltet und erholen habe lassen. Bilanz von dem Wasserbad, die Kamera hat noch funktioniert, obwohl der Sensor etwas Wasser abbekommen hat – Zum Glück war das gute Stück versichert.

Einblicke in die Demonstration von dem Bündnis Sand im Getriebe gegen die Automobil Messe in München Bayern im Jahr 2021. Fotografiert und begleitet von dem Portrait, und Reportage Fotograf Daniel Schubert
Im Regen fotografieren, läuft, und zwar richtig gut, genau wie die DemonstrantInnen von Sand in Getriebe in München.

Ein anderes großes Plus, zumindest für mich, ist, dass man mit der RP sehr, sehr gut altes Glas benutzen kann. Alles, was es braucht, ist ein FD-Adapter für Objektive aus dem letzten Jahrhundert und dann steht einem das Profi-Glas von der letzten Generation zur Verfügung. Das ist nämlich erheblich günstiger als modernes Glas, vorausgesetzt man kann auf den Luxus von Autofokus verzichten.

Diese älteren Objektive sind zwar nicht immer so scharf, wie Ihre modernen Gegenstücke, haben dafür häufig einen ganz besonderen Charme, wenn es um Farben und Tiefenunschäfe geht.

Toy-Optik durch ein Tilt-Shift Objektiv, diese Spezialobjektive gibt es aus dem letzten Jahrhundert schon für 350 Euro zu haben, moderne Varianten kosten mindestens das Vierfache.

Die RP macht die Benutzung von Vintage Objektiven besonders leicht, denn nicht nur kann man in die Komposition hineinzoomen per Knopfdruck, zusätzlich erleuchtet “Focus Peaking” mit neonfarbenden Umrandungen, was gerade im Fokus ist und genau das ist wahnsinnig praktisch, wenn man ohne Autofokus Details einfangen möchte.

Was danach kommt

Wie erwähnt lege ich meine RP ab, weil sie mir im Video-Bereich nicht mehr mithalten konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hat es mir große Freude bereitet, mit dieser “günstigeren” Profi-Kamera, professionelle Bilder an meine Kundinnen zu liefern oder bei Veranstaltungen viele FotografInnen mit teureren Modellen zu sehen und mich wie ein “Underdog” zu fühlen: Denn am Ende des Tages wusste ich, diese Kamera wird liefern, wenn ich sie richtig bediene und das kann ich.

Der einzige logische Schritt war für mich die 4,5 Mal teurere R5, denn wenn schon ein besseres Modell, dann zumindest eins, dass mich richtig überzeugen kann, und zwar auf allen Ebenen. Ganz besonders im filmischen Bereich, in dem man in naher Zukunft erheblich mehr sehen wird. Ob die Neuanschaffung liefern kann, das ist Thema für einen zukünftigen Blogeintrag. Im übrigen muss es ja gar nicht für jeden eine digitale Kamera sein, einen Blogeintrag über die Pentax 6×7 gibt es hier und einen über Rangefinder Filmkameras im generellen hier.

Apropos, bis zum nächsten Blogeintrag muss nicht so lange gewartet werden, denn ab jetzt gibt es monatlich mindestens einen neuen zu lesen. Wer etwas in den vergangenen hineinschnuppern möchte und beim nächsten Filmgenuss gleich sein fotografisches Auge schulen will, der wird hier fündig.

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