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Gastronomie muss anschreiben

Aufnahmen von Gastronomiebetreibern während der Corona-Krise im Sommer 2020 in München für eine Blogeintrag des Münchner Fotografen Steins Pictures über die prekäre Lage der Müncher Gastronomiebetriebe.

Schlendert man durch manche Münchner Straßen, hat man das Gefühl die Gastronomie boomt wieder; Menschentrauben bummeln auf dem Bürgersteig, Parkplätze wurden zu kleinen Oasen umgebaut und Mülleimer füllen sich mit To-Go-Bechern und Pizzeschacheln. Währenddessen applaudiert sich die Politik selbst zu, für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen und vermeintlich greifende Hilfspakete.
Dabei vergisst man sehr schnell, was für ein hartes Pflaster das Gastronomie-Business gerade in so einer teuren Stadt wie München eigentlich ist und was für ein massiver Schaden aus 10 Wochen kompletter Gewinnausfall entstanden ist.
Das ist der erste von drei Einträgen, bestehend aus Portait und interview, der auf die prekäre Lage der Münchner Gastro aufmerksam machen möchte, mit was sie zu kämpfen hat und warum es von kleiner Boazn bis zum Edelrestaurant alle etwas angeht.

Insider im Glockenbach: Mucki & Floyd

Gastronomie in den roten Zahlen, aufgrund der schwierigen Corona-Krise finden sich Restaurant und Barbetreiber in der Krise. Diese Fotoserie mit Interviews von dem Fotografen Steins Pictures möchte Aufmerksamkeit auf diese prekäre Lage in München erwecken: Auf dem Bild eine junge Barbetreiberin mit Maske. Im Hintergrund ihr Thresen und viele Getränke.
© Steins Pictures

Wie lange gibt’s euch?
Das Hoover und Floyd gibt es ja schon 15 Jahre und ich hab es jetzt als Mucki & Floyd seit zwei Jahren also insgesamt 15 Jahre.

Corona Zeit?
Für mich wars sehr schwierig wegen dem Informationsfluss von der Stadtseite.
Ich erlebe es jetzt noch das sich die Leute unsicher sind „darf ich drinnen sitzen, darf ich nicht drinnen sitzen“, man merkt einfach, dass es keinen Fahrplan gibt. Die Beamten wissen nicht wohin und man versucht sich zu informieren und die Antworten sind teils unterschiedlich je nachdem wen man jetzt fragt. Mit den Parkplätzen als Freischankfläche zum Beispiel: Da wurde das schon auf der Seite der Stadt veröffentlicht, dass man das jetzt als Gastrobetrieb machen darf und dann ruft man bei der Stadt an und erfährt, dass man ein Formular ausfüllen muss, das noch gar nicht existiert und man wartet noch einmal zwei Wochen. Jeder versteht, warum es geschlossen wurde aber das es so gar keinen Fahrplan gibt und überhaupt nicht planen kann ist wahnsinnig schwierig.

Und dann, als das Formular endlich erscheint, gilt es nur für Großgastronomie und man fragt sich warum? Muss der Kleingastronomie nicht geholfen werden, sind wir nicht wichtig genug, was ist der Grund warum nicht? Warum konnte man das nicht von Anfang an kommunizieren? Wie am Anfang diese zwei Wochenschritte in denen man erfahren hat, das man nicht öffnen darf. Am Ende waren es 10 Wochen, hätte ich das vorher gewusst, hätte ich die komplett das Kühlhaus runtergefahren. Das sind massive Stromkosten, die man sich hätte sparen können. Dazu kommt, dass es auch Regeln gab, die schlicht unverständlich sind, wie 22 Uhr drinnen – bis 20 Uhr draußen – wo wir eh die Regel haben bis 23 Uhr in der Innenstadt… Da hätte man sagen können, macht bis 23 Uhr draußen – fertig aus. Warum auch der Start erst draußen und eine Woche später drinnen? Man startet eh mit so wenigen Tischen, dass wir die erste Woche gar nicht aufgemacht haben, weil wir gesagt haben mit fünf Tischen nur draußen aufmachen, warum?

Wie lässt sich die Lage verbessern?
Genauere Fahrpläne und Infos, die man öffentlicher und leichter zugänglich macht. Sowohl das man ein Merkblatt an die Gastronomie rumschickt, bevor man etwas auf der Münchner Seite veröffentlicht und die Regeln genau festlegt. Nicht so wie mit der Parkfläche, wo es schon auf der Münchner Seite stand bevor es überhaupt das Formular gab. Und ich weiß es ist eine neue Situation aber vll. einen Ticken weiter zu planen, dass man z.B. weiß „in zwei Wochen dürft ihr auch bis 23 Uhr offen haben“ oder so.
Das ist auch wichtig für die Personalplanung. Denn im Moment habe ich keine Vorstellung, ob ich bald wieder mehr Personal brauche oder normal öffnen kann, man weiß halt gar nichts.

Kann man das noch lange so durchhalten?
Das ist schwierig. Ich war jetzt beim Steuerberater und wir haben in diesen 10 Wochen 24.000 Euro Schulden aufgebaut. Wir haben das mal durchgerechnet, wenn wir ab jetzt durchgehend gute Monate haben brauchen wir so vier bis fünf Jahre, um diesen Schuldenberg abzubauen. Natürlich hast du das in der Gastro, dass auch immer irgendwas kaputtgeht und man irgendeine Ausgabe hat, mit der man gar nicht gerechnet hat; sei es die Spülmaschine, die nicht mehr will, das streikende Kühlhaus oder Wasserschaden. Irgendwas kommt immer aber es darf halt nicht passieren. Und gerade jetzt mit diesen wenigen Plätzen durch die Abstandsregelung… Und wir haben ja schon so ein riesen Schuldenberg. Soviel größer darf der nicht werden, wir müssen jetzt wenigstens ein Nullgeschäft fahren aber das tun wir halt noch nicht. Wir können es nicht lange machen. Wir halten vll. Noch zwei Monate durch.

Hafen an Münchens Partymeile: Cafe Cord

Gastronomie in den roten Zahlen, aufgrund der schwierigen Corona-Krise finden sich Restaurant und Barbetreiber in der Krise. Diese Fotoserie mit Interviews von dem Fotografen Steins Pictures möchte Aufmerksamkeit auf diese prekäre Lage in München erwecken. Im Vordergrund steht ein Gastrobetreiber an sein Thresen gelehnt. Im Hintergrund ein prunktvoller Gastraum.
© Steins Pictures

Wie lange gibt es euch?
Das Cafe Cord gibt es seit 2008

Wie habt ihr die Coronazeit erlebt?
Zum 16. März mussten wir schließen, seit dem 18. Mai haben wir wieder aufgemacht, mit den Einschränkungen nur draußen zwei Wochen und jetzt seit 25. Mai haben wir auch wieder drinnen geöffnet. Aber ja… die Gäste kommen einfach nicht, die fehlen uns schlicht.

Wie lässt sich die Lage verbessern?
Gerade für uns Innenstadtwirte ist das ganze Programm entscheidend, also das es wieder hochfährt.
Da geht es um Theater oder darum, dass Leute wieder ganz normal arbeiten gehen. Also die meisten bei uns im Hochhaus zum Beispiel arbeiten 20 % und der Rest im Homeoffice oder Kurzarbeit, sprich die ganzen Gäste, die sonst normal kommen bei uns – auch Touristen, Kinogänger, Partygänger am Wochenende – die fehlen natürlich komplett.

Und sagen wirs mal so, wenn Leute essen gehen dann doch eher in Ihren Wohnbereichen, wenn ich in Haidhausen lebe dann gehe ich mal kurz zum Italiener, weil ich es mir nicht antun möchte in die Stadt zu gehen, wo ich U-Bahn fahre und eventuell einen Haufen Leute treffen muss, sondern bleibe da wo ich bin.

Also helfen kann man nicht viel… Die Vermieter könnten helfen. Dass die Vermieter einfach sagen, bevor es Leerstand gibt, gehen wir massiv runter mit der Miete. Das ist das einzige, weil der Staat kann das nicht lösen. Soviel Kosten, die da für den Einzelnen entstehen, das ist nicht tragbar für die Allgemeinheit: Das ist zu viel. Ich glaube, die Vermieter sind als einzige noch in der Lage da etwas zu ändern. Aber die kennen in München so etwas wie Leerstand gar nicht – weil wenn einer aufhört, dann habe ich zwei Minuten später vier neue Mieter und das egal, ob ich eine Wohnung habe oder ein Geschäftsgebäude. Die kennen das gar nicht, das gibt’s hier gar nicht und daher sperren sie sich natürlich noch gigantisch dagegen da irgendwas zu unternehmen.

Was wir halt haben sind Stundungen, die gesetzlich geregelt sind bis Mitte übernächsten Jahres. Sprich, man muss die Miete jetzt nicht zahlen aber innerhalb der nächsten zwei Jahre nachzahlen. Was natürlich für viele Gastronomen sehr willkommen ist, weil ohne Umsatz kann man keine Miete zahlen. Aber das kommt natürlich zurück, das ist geliehenes Geld und gerade bei einem Laden in der Innenstadt wie wir es sind, ist die Miete einfach nicht mehr überschaubar, wenn man sie ein paar Monate nicht zahlen kann. Wir zahlen hier über 20.000 Euro Miete und drei Monate ohne oder so wie es jetzt mit 10 % des normalen Umsatzes, ist halt ein Rechenbeispiel, wie lange man das machen kann oder will.

Kann man das noch lange so durchhalten?
Das muss sich jeder für sich ausrechnen. Momentan kristallisiert es sich heraus, dass sich die Lage bis Jahresende nicht ändern wird. Hat ja unser Ministerpräsident schon gesagt, dass er nicht davon ausgeht, dass die Abstands- oder Mundschutzregeln aufgehoben werden. Das heißt ja, dass das ganze normale Nacht- und Kneipenleben nicht möglich ist und wenn man davon ausgeht, dass wir jetzt von Mitte März bis Ende des Jahres also neun Monate durchstehen müssten… Mit monatlichem Kosten von 50- 60.000 Euro minus, dann kann man sich überlegen, ob man jetzt 460.000 Euro Schulden machen will – oder dass man sagt, das bekomme ich in meiner begrenzten Vertragslaufzeit sowieso nicht mehr hin und sagt ja gut, dann muss ichs lassen. Das muss jeder für sich entscheiden und so wird es allen Wirten gehen.

Außerdem kommen ja auch Nebenbeikosten, das sind ja nicht nur Miete, sondern da ist Steuerberater, Kühlhaus und so weiter. Und so wird es allen gehen und klar, auch wenn sie billige Pachten haben und die verbilligt wird um die Hälfte, bleibt da trotzdem einfach ein riesen Kapitalmangel. Und das muss jeder für sich alleine entscheiden, ob er meint er kann sich da rausrocken oder nicht… Ich schwanke da immer hin und her, wöchentlich.

Urgestein in der Maxvorstadt: Fresh Bagels & Muffins

Gastronomie in den roten Zahlen, aufgrund der schwierigen Corona-Krise finden sich Restaurant und Barbetreiber in der Krise. Diese Fotoserie mit Interviews von dem Fotografen Steins Pictures möchte Aufmerksamkeit auf diese prekäre Lage in München erwecken: auf dem Bild ein älterer Gastrobetreiber mit Maske und Mütze vor seiner Theke
© Steins Pictures

Wie lange gibt’s euch?
Uns gibt es seit 23 Jahren.

Wie habt ihr die Coronazeit erlebt?
Im Großen und Ganzen ist es uns gesundheitlich gut gegangen, geschäftsmäßig haben wir nur 20 % Umsatz. Das heißt also 80 % Verlust. Wurde zum Teil durch die Hilfe ausgeglichen. Aber jetzt nach dem Lockdown fehlt uns eine kleine Spritze, um den Übergang zur grundsätzlichen Normalität hinzubekommen.
Die Leute trauen sich noch nicht so, in der Menge wie es früher war, essen zu gehen oder auszugehen, das dauert noch ein bisschen.

Wie lässt sich die Lage verbessern?
Die sieben Prozent Herabsetzung sind schon einmal eine große Hilfe.
Vielleicht das man eine finanzielle Spritze für die Fixkosten die man aufbringen muss: Miete, Strom, Gehälter, etc. speziell jetzt in der Gastronomie fressen einen diese Posten die Gelder weg, die Haare vom Kopf.
Dadurch ist man eben kaum in der Lage das volle Programm wieder zu fahren. Man muss alles wieder einkaufen, weil man ja reduziert hat aber so einkaufen, wie vorher kann man auch nicht, weil man ja nicht weiß was kommt. Das ist jetzt die große Schwierigkeit, hast du groß eingekauft verdirbt ja die Ware aber hast du zu wenig eingekauft, ists auch nicht gut.

Kann man das noch lange so durchhalten?
Wir sind in der ganzen Geschichte ein bisschen eine Sondersituation, weil wir sind Rentner und wir haben wir zusätzlich neben dem Geschäftseinkommen das Einkommen der Rente. Dadurch können wir einiges abfangen.
Aber trotzdem müssen wir noch die Miete zu Hause bezahlen. Das heißt soviel wird nicht überbleiben. Also wenn das noch länger andauert, wird das für uns auch knapp. Das heißt wir müssen uns da was Besonderes einfallen lassen. Wir hoffen, dass die Mieten niedriger werden durch Corona. Denn überall egal welches Business oder privat sind die Mieten die größten Unkosten. Sagen wir es mal so, würden die Mieten gesenkt werden bleiben den Einzelnen erheblich mehr, der Staat hätte wesentlich mehr Mehrwertsteuereinnahmen und das Kapital wäre nicht mehr so an die Mieten fixiert.

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Aufnahmen von Gastronomiebetreibern während der Corona-Krise im Sommer 2020 in München für eine Blogeintrag des Münchner Fotografen Steins Pictures über die prekäre Lage der Müncher Gastronomiebetriebe.

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