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Business Fotograf – Reportage statt nur Portraits

Portraits sind nicht gleich Portraits

Portraitfotograf oder Business Fotograf – inwiefern macht es einen Unterschied?

Als bspw. Schauspieler Fotograf steht das Motiv im Vordergrund. Dabei geht es darum, sich voll und ganz auf die Geschichte, die Emotion und die Komplexität des Charakters vor der Kamera einlassen – aber was interessiert uns das denn bitte bei einem CEO?

Ein CEO hat vor allem eines auszustrahlen; Zuverlässigkeit, Professionalität, Skrupellosigkeit und einen Hauch soziopathischer Züge (kleiner Scherz).
Ob der Chef nun einen neckischen Blick über die Schulter beim Schließen der Aufzugtür werfen kann, während er sein Sakko provokant lässig über die Schulter geworfen hat, ist in erster Linie ziemlich wurscht (es sei denn es handelt sich um Christian Lindner).

Denn zwischen der Arbeit eines Portrait und der eines Business Fotografen gibt es einen entscheidenden Unterschied: Im Business geht es darum eine klare Message, ein Image zu verkaufen, im reinen Portraitbereich um Emotionen.

Das ist ein Problem für den “klassischen” Business Fotograf

Das bringt mich aber auch zu einem großen Problem, denn dass hier ein Image verkauft und vermitteln werden soll, dass weiß inzwischen jeder. Im Gegensatz dazu kauft es aber lange nicht mehr jeder ab. Was mir häufig fehlt, ist die Authentizität, die ein Unternehmen, ein Team oder einem Familienbetrieb gerade so besonders macht. Und genau das geht bei der Business-Fotografie, wie sich sie häufig sehe, zumeist verloren und die produzierten Bilder erinnern mich sehr an die einer Stock-Image-Sammlung, bei der ich nach “creative process” oder “Human Resources” gesucht habe.

Und versteht mich bitte nicht falsch, ich möchte solche Bilder gar nicht schlecht reden. Schließlich hat es einen Grund, warum wir so sehr auf diese weißen Anzugbilder, lächelnd mit dem MacBook vor der Nase und abgerundet mit reflektierenden, blau nuancierenden Glaselementen unscharf im Hintergrund stehen.

Ich nehme mich da gar nicht außen vor, auch ich mache gelegentlich diese Art von Stimmungsbildern (aufgenommen während des Aesthete Workshops 2019).

Es ist derselbe Grund warum sich Bewerbungsfotos etwa genauso weiterentwickelt haben wie Burger Bilder von Fastfood-Ketten. Weil sie sich schlicht gut verkaufen und von der breiten Masse gewünscht sind. Und auch dieser Bereich der Fotografie hat seine Fachexpertise und Details, Herausforderungen und Lernkurven. Ich finde sie nur schlicht ein bisschen langweilig.

Die Businessreportage untescheidet sich ein wenig von dem Handwerk des Business Fotografen. Eine Businessreportage ist im engeren Sinne keine Inszenierung eines Unternehmens. Denn sie ist echt, sie zeigt was einen Betrieb besonders macht; setzt darauf, dass das potenzielle Kunden spüren und schätzen werden.

Genau dafür fragte ich beim Tattoo-Studio Hola Papaya für einen cold run an und ließ mich einladen, für drei Stunden den Tattoo-Artists über die Schulter zu schauen. In diesen Eintrag geht es darum, was ich davon mitnehmen konnte, was super geklappt hat, was ich nächstes Mal anders machen würde und warum ich im Bereich des Business Fotografen am liebsten nur noch mit Businessreportagen arbeiten möchte.

Glaubwürdiger als Dr. Best: Eine Geschichte erzählen

Klassischerweise nimmt der Fotograf bei der Reportage Fotografie eine unauffällige Rolle ein, er beobachtet, hält Momente fest, weiß worauf es ankommt.

Nun befand ich mich für dieses Shooting allerdings nicht in einer großen Lagerhalle, sondern in einem kleinen Tattoo-Studio. Mit dem Hintergrund verschmelzen und unentdeckt aus der Hüfte schießen war nicht drinnen. Daher musste ich das Team zuerst etwas kennenlernen und vor allem sie mich kennenlernen.

Bayerische Gemühtlichkeit: Das Tattoo-Studio ist klein aber fein.

Beim Kennenlerngespräch erfahre ich wie heute der Tag heute abläuft, was genau eingefangen werden sollte und auf was in der Branche besonders Acht gegeben wird. Dabei stellt das zwei Frauen Team Gegenfragen, erfahren etwas über mich und meine Arbeit und bauen Hemmungen mir gegenüber ab. Als Fotograf sollte man vor dem Shooting unbedingt wissen:

  • Worauf legt der Kunde wert (als Fotograf weiß man meistens nicht, welcher Arbeitsschritt, bzw. welches Detail besonders wichtig ist)
  • Wer sind die wichtigsten Personen und müssen unbedingt ins Bild
  • Welche Momente sind besonders spannend im Arbeitsprozess
  • Was sollte nicht auf den Bildern zu sehen sein (bspw. Desinfektionstücher zum Abtupfen von Farbe)
  • Für den Fotografen: Womit kann ich am besten arbeiten (lichtstarke Objektive, Blitz, Telezoom etc.)
  • Wer wird auf den Bildern sein und sind diese Personen einverstanden damit (sollte natürlich vertraglich abgesichert sein, trotzdem im Zweifelsfall vor Ort die betroffene Person einfach fragen)

Als Business Fotograf bzw. als Fotograf im Allgemeinen ist es von großem Vorteil, wenn man eine schnelle Connection zu seinem Motiv aufzubauen kann. Im Zweifelsfall kann man sich diese Charaktereigenschaft im Umgang mit Fremden vor der Kamera im Tfp-Bereich lernen und dabei noch sein Portfolio auffrischen, mehr über dieses Thema gibt es hier zu lesen.

Praktisch dabei ist, während die Vorbereitungen für den Termin am Nachmittag laufen komme ich dazu ein paar Detailaufnahmen und Portraits während der Arbeit zu schießen. Im Ergebnis wirken die Bilder dadurch nicht gestellt, sondern natürlich und authentisch.


Ausrüstung: Portraitobjektiv und… Ultraweitwinkel?

Als dann schließlich die Kundin das Geschäft betritt, stelle ich mich kurz als der heutige Business Fotograf vor und halte mich danach anschließend wieder im Hintergrund In diesem Fall gebe ich der Kundin bei der Vorstellung meine Visitenkarte, denn schließlich wird sie auch auf so manchen Bildern auftauchen, das schafft Vertrauen, Sicherheit und gibt ihr die Möglichkeit sich später bei mir zu melden, sollte sie mit einer Aufnahme unzufrieden sein. Während die Tätowiererin arbeitet, mache ich mich kaum bemerkbar und halte mich in Hintergrund (mal nicht anleiten zu müssen, wie man es im Portraitbereich ständig macht, hat durchaus etwas entspannendes).

Tattoo-Artist und Kundin kennen sich bereits von zu vorigen Terminen haben und im Vorfeld abgesprochen, dass ich vor Ort bin und fotografieren darf: Das macht mir meiner Arbeit erheblich leichter. Mithilfe einer engen Festbrennweite von 85 mm (klassisches Portraitobjektiv, mit dem man aus mehreren Metern Entfernung arbeitet) komme ich auch aus weiter Entfernung nah an die Action ran.

Mein Ultra-Weitwinkel Objektiv (15-30 mm) hingegen hilft mir auch in den kleinen Raum, auch mehrere Personen und ihre Interaktion zu fotografieren. Das hat mich persönlich sehr überrascht, denn bisher dachte ich, dass diese weite Brennweite nur für Innenarchitektur praktisch ist. So gelingt es mir nicht nur das Detail, sondern auch das große ganze mit nur zwei Objektiven einzufangen.

Reportage über das Münchner Tattoostudio Holy Papaya und die Geschichte eines Tattoos, wie es gestochen wird und das Studio an sich.
Praktisch: Der Raum ist zwar klein aber mit einer Brennweite von 15 mm bekomme ich trotzdem alles drauf.

Einziger Stolperstein: Das Licht war trotz Beleuchtung etwas schummrig und Platz für einen Blitz oder externes Licht war nicht vorhanden. Im Nachhinein würde ich mir für solche Bedingungen ein sehr lichtstarkes Objektiv ausleihen. Besonders das Ultraweitwinkel-Objektiv mit einer maximalen Blendenöffnung von f2.8, hat entweder mit Bildrauschen (durch eine hohe ISO) oder einer ein wenig zu langen Belichtungszeit zu kämpfen gehabt: In RAW fotografieren ist für die Post-Produktion natürlich Pflicht.

Die Bearbeitung: Hola Kunstlicht

Kunstlicht ist für mich eine Hassliebe. Kurz auf den Punkt gebracht hat es meiner Meinung nach den Vorteil, dass man bearbeitungstechnisch recht viel damit machen kann.

Der Nachteil ist jedoch – man kann nicht nur – man MUSS viel damit machen. Denn tut man das nicht sieht es eher sehr, sehr kühl bzw. ungemütlich aus und schmeichelt nicht gerade der allgemeinen Stimmung des Fotos. Wie man hier bei diesem vorher/nachher klar erkennen kann, habe ich das kühle, blaustichige Licht mit warmen grün/lila Akzenten aufgefangen.

Reportage über das Münchner Tattoostudio Holy Papaya und die Geschichte eines Tattoos, wie es gestochen wird und das Studio an sich.
Die Farbwahl der Bearbeitung war übrigens von einer ??? Papaya inspiriert (Ja, manchmal denke ich mir auch ich bin nicht ganz dicht).

Reportage als ein zusätzliches Tool im Repertoire des Business Fotografen

Mir ist natürlich klar, dass das nicht das einzige Werkzeug für einen Business Fotograf sein kann. Ein Tattoo-Studio lädt natürlich sehr dazu ein, bei der Arbeit zu fotografieren. Ebenso wie es ein Schreiner, Kirchenrestaurator oder etwa Pyrotechniker tun würde. Jedoch gibt es gewisse Jobs in der Businessfotografie, bei welchen die klassischen Headshots einfach nicht wegzudenken sind.

Beispielsweise bei der Neugestaltung einer Website, für die neue Teambilder gebraucht werden, oder schlicht für Berufe, die für eine Reportage nicht so spannend sind (ja ich denke an dich Steuerfachberater). Zudem stehen nicht alle Unternehmen auf diese Art von Business Fotografie; wie bereits erwähnt ist eine Businessreportage schließlich im engeren Sinne keine Inszenierung eines Unternehmens: Viele Unternehmen wünschen sich aber eine Inszenierung.

Hier noch einmal ein Überblick über die Vor- und Nachteile dieses Werkzeuges des Business Fotograf:

Vorteile

  • Wirkt Authentisch
  • Direkt aus dem Leben: Realitätsnah
  • Fängt die Individualität des Unternehmens ein
  • Einzigartige Ergebnisse für jeden Kunden
  • Viel künstlerischer Freiraum
  • Mehr Abwechslung bei der Arbeit
  • Schafft einen tieferen Einblick in die Arbeitsprozesse des Unternehmens
  • Hat die Chance nicht nur Werbematerial, sondern auch dokumentarisch wertvolle Aufnahmen zu liefern

Nachteile

  • Schwieriger zu fotografieren (kaum möglich ein Programm zu fahren)
  • Schwieriger Szenen zu inszenieren
  • Wenig Kontinuität
  • Höheres Risiko, dass etwas Unerwartetes passiert
  • Viel Absprache nötig
  • Größerer Aufwand in der Nachbearbeitung (mehr Bilder zum Aussortieren)
  • Bilder haben nicht typische Studioqualität

Ich hoffe, dass dieses kleine Behind the Scenes Lust auf so manche Businessreportage gemacht hat, gerade bei Fotografen, die um die Unternehmensfotografie bisher einen Bogen gemacht haben. Wie meine Preise als Business Fotograf aussehen und was man für sein Geld bekommt, das könnt ihr hier erfahren.

Lasst es mich gerne eure Meinung zur Businessreportage wissen und ob euch dieser Eintrag weitergeholfen hat.

Auch lukrativ als Fotograf können übrigens Portraits von Schauspielern sein, was es dabei zu beachten gibt, lest ihr hier.

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