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Zwangsentschleunigung in der Fotografie – eine Lektion in Geduld und Perspektive

Was meine ich mit „Zwangsentschleunigung“ – und dann auch noch in der Fotografie? Ich meine diese eine, diese globale, pandemische Handbremse.

Ich glaube, dass es in der Fotografie oft unterschätzt wird, sich wirklich Zeit zu nehmen. Doch die ersten Wochen der Pandemie hatten wenig mit bewusster Entschleunigung zu tun – vielmehr war ich voller Ungeduld. Frustriert darüber, dass meine Shootings abgesagt wurden, meine kreativen Ideen versickerten und meine Reisepläne ins Wasser fielen.

(Dies ist übrigens der zweite Post über meine Erfahrungen beim Einstieg in die Selbstständigkeit als Fotograf. Falls du den ersten Teil lesen möchtest, findest du ihn hier.)

Die Jagd nach der Karotte

Seitdem ich mich in der Fotografie selbstständig gemacht habe, stand für mich eines im Mittelpunkt: Erfolg.

„Mein ehemaliges Umfeld wird staunen, wie gut ich das hinbekommen habe!“ oder „Jetzt kommt endlich der Durchbruch nach dem Studium!“ – solche Gedanken begleiteten mich ständig.

Ich nahm jede Gelegenheit für Shootings, Kontakte oder Aufträge wahr. Wer mein Portfolio kennt, weiß, dass ich dabei auch einige Fehltritte erlebt habe. Der große Erfolg? Der ließ auf sich warten. Am frustrierenden war jedoch der ständige Instagram-Druck, den ich mir zum Teil selbst gemacht habe und erst Jahre später unter Kontrolle bekommen sollte.

Instagram als Plattform für Fotograf*innen hat einige Nachteile: geringe Bildauflösung, Bilder verschwinden schnell im Feed, nervige Hashtags. Und dann dieser Druck, sich in Storys selbst zu präsentieren. Überhaupt kann durch Instagram die Person des Fotografierenden mehr im Mittelpunkt rücken, als die eigentlichen Bilder selbst: Liegt mir halt leider gar nicht.

Das Beste daran? Ich habe trotz unzähliger Stunden, die ich in mein Instagram-Profil gesteckt habe, keinen einzigen Auftrag dadurch erhalten. Eine der vielen Erkenntnisse, die ich durch die pandemiebedingte Entschleunigung gewonnen habe.

Das Ziel ist im Weg

Einer meiner größten Augenöffner-Momente ereignete sich auf einer Reise in Kyoto – einer dieser „Das Leben winkt mit dem Zaunpfahl“-Momente. Es geht nicht nur darum, dass der Weg zum Ziel schön sein sollte. Sondern auch darum, dass das Ziel dir manchmal im Weg steht – und zwar dabei, die Gegenwart zu genießen!

Was das mit der Pandemie zu tun hat? Ich komme gleich darauf zurück.

Es war mein erster Tag in Kyoto, und ich recherchierte nach kulturellen Highlights. Dann entdeckte ich ihn: den Bambuswald. Ein Bild aus dem Reiseführer zeigte genau das, was ich mir von Japan erhofft hatte – dichte, grüne Vegetation, ein Hauch Abenteuer, eine perfekte Kulisse für mein Portfolio als Fotograf.

Mit einem geliehenen Fahrrad machte ich mich auf den Weg. Zwei Stunden Fahrt durch enge Wohnviertel, dann ein abgelegener Pfad, dichter Wald, ein klarer Fluss. Kaum Menschen. Nach der Hektik Tokios war das eine unerwartete Freiheit. Ich wusste gar nicht, wie sehr ich das vermisst hatte.

Doch die letzten Kilometer waren die kräftezehrend. 32 Grad, steile Pfade, schweres Gepäck, kaum Empfang. Völlig erschöpft kam ich am Gipfel an – und fand… nichts. Es war der falsche Berg.

Ich lachte verzweifelt und trat den Rückweg an. Unterwegs entdeckte ich eine kühle Bergquelle, eine geheimnisvolle Tropfsteinhöhle, einen verwunschenen Waldpfad. Wieder unten traf ich einen Japaner, der gerade von einer Fabrikschicht nachhause kam, mir sein Pausenbrot anbot und stolz seinen Garten zeigte. Einer der herzlichsten Begegnungen meiner Reise.

Und trotzdem ging ich an diesem Abend frustriert ins Bett – weil ich „mein Ziel“ verfehlt hatte.

Am nächsten Tag nahm ich den Touristenbus zum richtigen Bambuswald. Nach gerade mal 15 Minuten fahrt, fand ich mich an einen der wohl überbewertesten Instagram-Fotospots Japans. Die Vegetation braun, die Kulisse überlaufen und das Motiv plötzlich so banal, dass ich nicht ein einziges Foto machte.

Den „perfekte Fotospot“ habe ich am Tag vorher bereits entdeckt, er lag auf dem Weg und ich hab ihn einfach nicht als solches erkannt. Jetzt aber wieder zurück zum Thema.

Das Fotografie-Déjà-vu

Als Fotograf fiel mir während der Pandemie eine Parallele auf: Ich hatte mich so auf das eine Ziel fixiert – Erfolg in der Fotografie –, dass ich fast alles vergessen hatte, was mich an diesem Beruf begeistert: die Entdeckung, die Begegnungen, die Freude am Prozess.

Deshalb möchte ich dich, lieber Leserin, ermutigen, mal einen Schritt zurückzugehen. Zu reflektieren, ob du noch den Weg genießt – oder ob du dich nur noch an einem Ziel festbeißt.

Danke fürs Lesen und einen wunderbaren Tag dir!

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Zu sehen ist ein Portrait aufgenommen in München in Bayern.  Im Porträt Foto ist eine junge Frau zu sehen, ihr Name ist Anna. Die Aufnahmen an der Oberfläche wurden in München aus der Großhesseloher Brücke aufgenommen. Bei der Tiefgarage handelt es sich um die von Modehaus Hirmer in München. Das Shooting wurde von dem Fotografen Daniel Schubert von Steins Pictures durchgeführt.

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