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Wie man besser in Street Photography wird

Street Photography ist eines der beliebtesten Genres und verantwortlich für einige der besten Fotos, die je gemacht wurden. Es ist ein Genre, das Emotionen wie Mitgefühl wecken, politische Perspektiven verändern und sogar Geschichte prägen kann. Kein Wunder also, dass viele Fotograf*innen diesen Stil erkunden möchten – nur um festzustellen, dass es viel schwieriger ist, als es aussieht.

Wir konkurrieren nicht nur mit Millionen bereits beeindruckender Street-Fotos, sondern das Finden von fesselnden Motiven und Momenten erfordert weit mehr Aufwand, als man zunächst denkt. Vielleicht ist die Vorstellung, Street-Fotos zu machen, von Anfang an falsch – vielleicht sollten wir eher Bilder von hier Thema einfügen, das dir wirklich am Herzen liegt auf der Straße machen, weil wir es für wichtig halten. Aber das ist ein Thema für einen anderen Blogpost.

Auf den ersten Blick wirken manche Street-Fotos wie mühelose Schnappschüsse, die im perfekten Moment entstanden sind. Manche würden sagen, dass jede*r sie hätte machen können. Doch die Wahrheit ist, dass die meisten dieser Aufnahmen das Ergebnis unzähliger Stunden an Übung, Herumwandern und hunderten Bildern sind – von denen die meisten nicht ganz ins Schwarze treffen.

Der Unterschied zwischen einem Schnappschuss und einem professionellen Foto ist einfach: Profis machen keine Schnappschüsse – oder besser gesagt, sie wissen, wie man sie gezielt reproduziert, sodass es keine Schnappschüsse mehr sind. Klingt nach etwas Unmöglichem in der Street Photography, ist es aber nicht. Professionelle Street-Fotograf*innen entwickeln ein Gespür für Komposition, Timing und Storytelling, das es ihnen ermöglicht, konstant eindrucksvolle Bilder zu produzieren – Bilder, die wie Zufallstreffer wirken, in Wahrheit aber auf Erfahrung beruhen.

Und es gibt tatsächlich Dinge, die du tun kannst, um diesen Punkt zu erreichen: Hier sind wertvolle Tipps, um deine Street Photography zu verbessern – auch wenn der letzte Punkt mit einem gewissen Privileg einhergeht (am Ende des Tages bin ich ein weißer Mann in meinen Dreißigern, der in einem Industrieland lebt).

Nutze das Framing zu deinen Vorteil

Framing – im fotografischen Sinne – kann sowohl vor als auch nach der Aufnahme eines Bildes erfolgen. Allerdings ist es meist besser, das Bild bereits vor dem Auslösen bewusst zu rahmen, da man bei nachträglichem Hineinzoomen oder Zuschneiden an Bildqualität verliert. Besonders bei Street-Fotos, in denen oft viel passiert, können Linien, Objekte und Farben schnell ablenken oder die Komposition stören (diese verdammten Neon-farbigen Scooter).

In solchen Fällen kann es helfen, den Bildausschnitt neu zu wählen, um deine Aussage klarer zu transportieren, den Blick der Betrachter*innen gezielt zu lenken oder das Bild einfach stärker wirken zu lassen. Hier ein Beispiel aus meinen Anfängen:

Osaka framing example for the photographer Blog from Daniel Schubert.

Wenn man sich dieses Bild ansieht, wirken die Linien schön, die Farben sind lebendig, das Motiv ist … einigermaßen interessant. Allerdings gibt es viel freien Raum, der dem Bild nicht wirklich etwas hinzufügt – und genau das wird deutlich, wenn wir die Elemente im Bild ein wenig verschieben.

Osaka framing example for the photographer Blog from Daniel Schubert.

Dieses Bildframing wirkt viel stärker und zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich, weil es das Bild auf seine interessantesten Elemente reduziert: das „OPEN“-Schild und die Oktopus-Laterne. Übrigens ist das eine Bearbeitung, die ich vor sechs Jahren gemacht habe. Heute fotografiere ich so, dass mir ein nachträgliches Ändern des Bildausschnitts in der Bildbearbeitung kaum noch in den Sinn kommt. Einfach, weil ich mir vorher mehr Gedanken über meine Position und den Bildausschnitt mache, bevor ich den Auslöser drücke.

Das kam nicht einfach so, sondern ist eine Fähigkeit, die ich mir durch drei Jahre Fotografieren mit Filmkameras angeeignet habe. Da die Auflösung von Film viel geringer ist als bei digitalen Sensoren, funktioniert das nachträgliche Zuschneiden wie im Beispiel oben nicht immer gut – man verliert zu viel Bildqualität. Außerdem wird man dadurch sensibler für jeden einzelnen Bildausschnitt, weil man bei einer Filmrolle nur eine begrenzte Anzahl Bilder hat, was wiederum dazu führt, dass man sich beim ersten Bildausschnitt mehr Mühe gibt.

Außerdem noch ein wichtiger Hinweis: Das Reduzieren eines Bildes oder das Wegnehmen von negativem Raum ist kein Allheilmittel, um jedes Bild besser zu machen (negativer Raum beschreibt den Bereich im Bild, der nichts Wesentliches hinzufügt). Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, den negativen Raum zu schätzen – also die Bereiche im Bild, in denen nicht alles ein wichtiger Blickfang ist. Hier ein Beispiel:

Ich habe dieses Bild fünf Jahre später aufgenommen und würde an diesem Bildausschnitt nichts mehr ändern. Natürlich könnte man argumentieren, dass der leere dunkle Bereich oben herausgenommen werden könnte, sodass das Bild auf die Kirche und den Scooter reduziert wird. Aber mir gefällt der Übergang von der Dunkelheit zum Licht des Himmels, der zur Kirche führt, sowie die Komplementärfarben Orange und Blau im Hintergrund gegenüber dem Vordergrund.

Ganz zu schweigen davon, dass die Street Photography von 2024 eine tiefere Geschichte erzählt. Es ist nicht einfach nur eine Takoyaki-Bar, sondern eine Autobahn in Manila unter der sogenannten „Skyline“. Die Skyline in der Hauptstadt der Philippinen ist eine besondere Straße über dem üblichen überfüllten Verkehr, für die Gebühren bezahlt werden müssen, um die Stadt schneller und komfortabler zu durchqueren. Sie ist reserviert für diejenigen, die entweder das Geld oder die Macht haben, sie zu benutzen. Die Kirche fungiert als Symbol, das zwischen den Klassen steht, die in der Stadt leben. Was mich zum nächsten Punkt bringt.

Street Photography, die eine Geschichte erzählt

Das klingt auf dem Papier ganz logisch, wird aber trotzdem immer wieder vergessen (ich schließe mich da mit ein). Jede Kultur und jeder Ort hat seine eigenen, einzigartigen Elemente und Rituale. Genau hier verschmelzen Dokumentar- und Street Photography zu einem köstlichen Cocktail. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, was einen Ort besonders macht und was ihn repräsentiert.

Als ich durch Japan gereist bin, fiel mir auf, dass es überall Verkaufsautomaten für alles Mögliche gibt – das hat mich total fasziniert, denn bis heute habe ich nichts Vergleichbares gesehen.

Gerade als Fremder an einem unbekannten Ort fallen einem solche Besonderheiten schnell auf, weil sie für uns ungewohnt sind und dadurch herausstechen. Falls du dich fragst, warum die meisten Bilder aus Marokko Nahaufnahmen von Gewürzen und Marktständen in einer Medina zeigen – voilà, genau deswegen. Aber denk immer daran: Du bist ein Außenstehender, der das Privileg hat, diese Bilder zu machen und zu teilen. Versuche deshalb, die Kultur zuerst zu verstehen, sonst läufst du Gefahr, voyeuristisch zu wirken und eine ganze Nation aus einer sehr privilegierten Perspektive falsch darzustellen.

Man könnte sogar sagen: Wenn du Dokumentar- und Street-Fotografie machst, ist es am besten, wenn du in einem Umfeld fotografierst, dem du selbst angehörst und das du verstehst.

Endecke deine nähere Umgebung

Herumzulaufen, sich zu verlaufen und einfach zufällig auf interessante Szenen zu stoßen, macht zwar Spaß und ist eine gute Methode – aber nicht jeder hat die Geduld oder Zeit dafür. Dennoch hat fast jede Stadt ihre eigenen kulturellen Highlights, Besonderheiten und spannende Ecken.

Zum Beispiel hat München vielleicht nicht viele intensive Demonstrationen oder besonders vielfältige Stadtteile, die kulturelle Kontraste zeigen, bietet aber eine Fülle an Festen, Straßenmärkten und historischer Architektur. Einzigartige Orte wie der Olympiapark oder das Hauptgebäude der Universität eignen sich hervorragend als Kulisse. Wenn du dich gut in deiner Stadt auskennst und ihre besonderen Plätze kennst, ist das auch ein großer Vorteil, wenn du dich für Porträtfotografie interessierst.

Die Wittelsbacher Brücke in München, Deutschland, während der Goldenen Stunde. Auf Film mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommen.

In deiner eigenen Stadt kann das bedeuten, ein nationales Feiertagsfest, eine lebendige Subkultur oder markante moderne Architektur festzuhalten. Suche nach Orten, Situationen oder Ereignissen, die einzigartig für deine Umgebung sind, und nutze sie bestmöglich.

Du brauchst kein internationales Bierfest in deiner Stadt, um spannende Street-Photography-Motive zu finden. Das Erkunden von Orten mit ungewöhnlicher Architektur und starken Führungslinien kann zu beeindruckenden Kompositionen führen. Ich entdecke solche Plätze gern mit dem Fahrrad oder zu Fuß – oft sind sie direkt vor unseren Augen verborgen. Falls du noch nie bewusst über Führungslinien nachgedacht hast, hier ist ein Blogartikel, der dich ins Thema einführt. Wahrscheinlich nutzt du sie schon in deiner Fotografie, ohne es zu merken.

Probiere verschiedene Objektive aus, besonders Weitwinkelobjektive

Es gibt einen Grund, warum die legendäre Leica-M-Serie meist mit Weitwinkelobjektiven ausgestattet ist. Viele der besten Street-Photography-Bilder wurden mit Weitwinkelperspektiven aufgenommen. Der Grund, warum diese Gläser so beliebt für Street Photography sind, liegt darin, dass sie viel „Boden“ abdecken können – sie erfassen eine ganze Szene, lassen viele Details für aufmerksame Betrachter entdecken und bieten leidenschaftlichen Fotograf*innen jede Menge zu zeigen.

Weitwinkel ist nicht der einzige Weg, gute Street-Fotos zu machen – mein Lieblingsfotolehrer Jamie Windsor hat vor Kurzem ein interessantes Video dazu veröffentlicht. Aber ohne Zweifel sind Weitwinkelobjektive sehr hilfreich, um größere Szenen einzufangen und dadurch viel mehr vielseitige Möglichkeiten zu bieten, eine Geschichte in der Street Photography zu erzählen.

Die meisten Kameras werden mit einem Zoomobjektiv ausgeliefert, das einen Brennweitenbereich von etwa 18 bis 70 mm abdeckt – also auch für Weitwinkelaufnahmen geeignet ist. Ich würde jedoch empfehlen, ein Festbrennweiten-Weitwinkelobjektiv anzuschaffen. Alles zwischen 8 und 35 mm funktioniert bestens, wobei 35 mm für mich persönlich das vielseitigste ist.

A leica m4p rangefindercamera on a table.

Der größte Nachteil bei der Verwendung einer Festbrennweite ist, dass sie dich zwingt, dich zu bewegen, um deinen Bildausschnitt zu finden, statt einfach nur hineinzuzoomen. Das ist besonders in der Street Photography eine Herausforderung, weil es viel bequemer ist, einfach den Zoom zu nutzen. Außerdem gibt es Situationen, die nur kurz andauern – wenn du den Moment verpasst, ist er weg.

Paradoxerweise wird dieser Nachteil zu einem Vorteil in deinem fotografischen Werkzeugkasten, wenn du genug übst: Je mehr du dich an ein Festbrennweiten-Objektiv gewöhnst, desto mehr lernst du, deine Umgebung genau in dieser Brennweite zu sehen und zu rahmen. Letztendlich weißt du dann schon, wie das Bild aussehen wird, bevor du überhaupt durch den Sucher schaust oder den Bildschirm überprüfst.

Die privilegierte Option: Reisen gehen

Ich habe immer gern zwischen Urlaub machen und Reisen unterschieden. Für mich bedeutet Reisen Entdecken und Erleben – nicht einfach nur Entspannen und Genießen. Gerade als leidenschaftlicher Fotografin trägt man oft mehrere Kilo Ausrüstung auf dem Rücken, egal wohin man geht.

Ich finde nicht, dass man unbedingt viel Ausrüstung tragen muss, um auf Reisen tolle Fotos zu machen. Aber ich glaube, es erfordert Mühe, wirklich interessante Orte zu finden, die Kultur kennenzulernen und ihre einzigartigen Elemente zu entdecken: Nicht einfach nur die Kamera als Gimmick mitzunehmen und touristische Erlebnisse festzuhalten, sondern zu Orten zu reisen, die eine Geschichte über die jeweilige Kultur erzählen, und diese Elemente mit welcher Kamera oder welchem Objektiv auch immer einzufangen. Das ist oft der entscheidende Unterschied zwischen Street-Fotos und Urlaubs-Schnappschüssen.

Reisen ist auch unglaublich inspirierend. Weit weg vom Alltag, umgeben von fremden Gerüchen, Geräuschen und Umgebungen, regt das unsere Kreativität richtig an. Unsere super privilegierten Musen, um genau zu sein.

Um die berühmte „Astronautin“ Katy Perry zu zitieren: „I think this experience has shown me you never know how much love is inside of you […] until the day of launch.“ Nicht jeder hat die Möglichkeit, in eine Rakete zu steigen. Wir machen uns gerne über diesen Spruch lustig (nicht, dass ich Mitleid mit ihr hätte), aber wir übersehen oft, dass in Bezug auf Privilegien in uns allen ein kleines Stück Katy Perry steckt.

Tatsächlich haben die meisten Menschen auf diesem Planeten nicht einmal die Mittel, ihr eigenes Land einmal im Leben zu verlassen. Während meine Freunde und ich mehrmals im Jahr in verschiedenen Ländern Urlaub machen, ohne uns Sorgen machen zu müssen, dass unser Kurzzeitvisum abgelehnt wird. Ich will damit nicht sagen, man soll sich schlecht fühlen, sondern man sollte sich dessen bewusst sein, wenn man einer ahnungslosen Kamelreiterin die Kamera ins Gesicht hält, das Bild dann in Schwarz-Weiß umwandelt, Struktur- und Schärferegler auf Anschlag schiebt und das Foto in einer Facebook-Gruppe hochlädt: Sei demütig, sei respektvoll.

Ich hoffe, diese kleinen Tipps machen das Fotografieren für dich interessanter und lohnender. Wenn das so ist, folge mir gerne auf einem Social-Media-Kanal oder hinterlasse einen netten Kommentar.

Shooting with the russian Model Dimitry in Seoul, south Korea during sunset.
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