The good, the bad and the ugly Feedback in Portraitfotografie
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- Wer nicht fragt, bleibt mediokre
- Ratschläge von der alten Schule: Facebook
- Instagram und die Selbstdarstellung
- Engagement, likes, comments und andere Arten sich Druck zu machen
- Wie finde ich gute Kritik
Feedback einholen ist in der Kreativbranche das A und O, wenn es darum geht sich weiterzuentwickeln. Ich persönlich hole regelmäßig von FotografInnen, die mich inspirieren, Rat ein.
2019 habe ich mich von Luis zwecks Ausstattung und Bildstil ausgetauscht, 2020 Tipps von Anna Duschl über Weitwinkelfotografie eingeholt und 2021 habe ich Danielle ausgefragt wegen Ihrer ausgefallenen Editorial-Werke, um nur ein paar der FotografInnen zu nennen, die mich im Laufe der Jahre weiter gebracht haben.
Wer nicht fragt, bleibt mediokre
Inspirationen, Meinungen und Rückmeldungen sind nicht nur für Anfänger-FotografInnen spannend. Bei einer kreativen Blockade, wenn man sich nicht mehr wirklich weiterentwickelt, aber auch wenn man neues ausprobieren möchte, ist Feedback sinnvoll.
Die Qualität des Feedbacks und der Zeitpunkt, ist allerdings mindestens so wichtig, wie das Feedback selbst und darum soll es in diesen Eintrag gehen. Denn Feedback ist nicht gleich gutes Feedback.
Ich glaube manche FotografInnen fragen sich generell, soll ich überhaupt Wert auf die Meinung Anderer legen oder einfach meine Fotografie so durchziehen wie es mir gefällt. Für mich ist die Antwort ganz einfach: Ich schätze die Meinung und das Feedback anderer, um neue kreative Impulse zu bekommen.
Wer überhaupt kein Interesse daran hat und Fotografie einfach für sich macht, aus Spaß an der Freude, fürs Familienalbum, ohne große Ambitionen, der kann guten Gewissens hier aufhören zu lesen und sich eine spannendere Beschäftigung suchen… Zum Beispiel fotografieren.
Timing für Feedback – Das Ausbildungsdilemma
Ich möchte kurz auf den richtigen Zeitpunkt für Feedback eingehen. Generell könnte man sagen, Feedback ist immer willkommen und gut – Ich glaube, das stimmt nicht.
Es gibt Zeiten in welchen Ideen, ein Stil oder Konzepte noch nicht ausgereift sind und so umgesetzt werden können, wie es von Fotografierenden angedacht ist. Zu diesem Zeitpunkt kann es zu früh für Feedback sein, denn die grundsätzliche Idee, der Bildstil muss erst mal ausgefeilt werden.
Außerdem kann es passieren, dass ein guter Ansatz, wenn er zu früh harscher Kritik ausgesetzt wird, gleich zu Beginn im Keim erstickt wird. Etwas Neues zu kreieren braucht Zeit und darin gut zu werden braucht noch mehr Zeit – Und dann noch mit diesem Neuen mit dem Mainstream mitzuhalten zu können, das braucht noch viel mehr Zeit.
Deswegen hat sich das klassische Handwerk so langsam bis hin zu kaum entwickelt, denn dort ist Zeit regelrecht Geld. Als Ausbildungsberuf wurden alternative Ansätze gleich unter dem strengen Auge des Lehrmeisters/meisterin glattgebügelt, noch bevor irgendwas Neues entstehen konnte. Das zeigt sich besonders daran, dass so viele große FotografInnen des letzten Jahrhunderts Quereinsteiger waren, wie Sebastiano Salgado, oder die Regeln des Handwerks komplett ignorierten, wie Nan Goldin.
Inzwischen ist Fotografie viel zugänglicher und kein Ausbildungsberuf mehr, Feedback holen wir uns jetzt meistens durch das Posten unserer Bilder ein, was den Zugang zu guten Feedback allerdings nicht einfacher macht.
Communitys können Individualität eingrenzen
Wenn man sich selbst einen individuellen Stil schaffen möchte und ihn treu bleiben will, ist die Wahl des Publikums, der Ort wo man sich erhofft eine Wertschätzung und Kritik seines Contents zu bekommen super wichtig.
Problematisch wird es dann, wenn man sich die falsche Plattform gesucht hat. Denn innerhalb der Communitys applaudieren und pushen sich zumeist FotografInnen zu, die alle ähnliche Bilder schießen, was heißt, dass Aufnahmen, die aus der Reihe tanzen, häufig wenig oder gar keine Beachtung bekommen.
In der Praxis passen sich FotografInnen daher häufig an, um in der Gruppe angenommen zu werden. Darüber muss man sich bewusst sein, wenn man langfristig seine Kreativität behalten und wirklich Neues schaffen möchte. FotografInnen mit einem Tunnelblick, der nur ihren Stil als gut befindet oder würdigen, sind schlechte Mentoren… die ihre eigenen Kenntnisse überschätzen.
Ratschläge von der alten Schule: Facebook
Wo wir beim Thema Gruppen sind, motiviert haben mich zu diesem Blogeintrag Facebook-Gruppen, in welchen ich hartnäckig immer wieder Fotos hochlade und feststelle, dass meine Aufnahmen überhaupt nicht oder nur in seltenen Fällen ankommen. Das Thema ist aber viel weitreichender und plattformübergreifender.
Und ehrlich gesagt, würde es mich jetzt eher beunruhigen, wenn sämtliche meiner Bilder gut in den Gruppen ankommen. Denn Facebook ist zum Großteil nicht das Publikum, welches für mich relevant ist, mein Publikum ist eher auf Instagram unterwegs, dazu später mehr.
Vergleicht man Facebook und Instagram sind zwar beide Meta (nicht im philosophischen Sinne… überhaupt nicht im philosophischen Sinne) und doch völlig unterschiedlich, wenn es um Fotografie geht und was funktioniert.
Dass bei Facebook “klassische” Fotografie nach der alten Schule gepusht wird, liegt natürlich daran, dass Generation Z, jüngere Social-Media-Plattformen bevorzugt. Damit kommen moderne Trends/Entwicklungen häufig nicht gut bei Facebook an, denn das Publikum hat noch ganz klare und klassische Vorstellungen, wie Fotografie auszusehen hat.
Gute Fotografie ala Facebook: Bokeh und Haut
Bei kaum einer Plattform kann man erfolgreichen Content so einfach planen, wie bei Facebook.
Meine Vorstellung von dem Bringer-Foto in Portrait-Gruppen ist: Brennweite zwischen 85 und 135 mm für einen unscharfen Hintergrund, das Motiv: Eine junge Frau mit einem losen BH im Gegenlicht, leicht geöffneter Mund/sexy Blick, mit einem Hotelzimmer oder rustikalen Raum im Hintergrund. Natürlich alles glattgebügelt, mit dodge und burn retouching, Augen scharf gezeichnet und komplementär Kontraste reingesetzt – eh voilà.
Bildsprache aus dem letzten Jahrhundert
Die andere Möglichkeit; Harte schwarz weiß Kontraste, ein Rembrandt Stil ausgeleuchtetes Portrait eines “richtigen Kerls“, kratziger drei Tage Bart, markante Gesichtszüge, sexy Blick und zum Abrunden noch eine rauchende Zigarette in der Hand. Natürlich sind alle Falten dramatisch nachgezeichnet, etwas Ruß oder ähnliches macht den Mann noch schmutziger und verruchter und was ist das? Ein Color-Key auf die blauen Augen?! Zu Plump? Schön wärs.
Der Vorteil von Facebook ist, ihr braucht keine riesen Followerschaft, eure Aufnahmen können in Gruppen gepostet werden und jeder bekommt dieselben Chancen auf Applaus… Leider ist das Erfolgsrezept dadurch etwas eintönig. Ich empfehle es als Test, wie massentauglich die eigene Portraitfotografie ist.
Bei Instagram hingegen dominiert ein jüngeres Publikum und das steht auf Selbstoptimierung, Lifestyle und Statussymbole. Damit sind die Dimensionen, wie viele Menschen man erreichen kann, astronomisch und zugleich irgendwie überhaupt nicht.
Instagram und die Selbstdarstellung
Zwar fotografiere ich modern, kann mich mit Instagram aber nur zum Teil identifizieren. Dass es alternative Herangehensweisen in der Fotografie belohnt, finde ich super. Im Gegensatz zu Facebook steht bei Instagram allerdings der Fotograf genauso im Mittelpunkt wie sein Motiv, was ich nicht so super finde: Egokult und Selbstpräsentation gewinnt an Bedeutung und die Art des Konsumierens der Bilder/Reels/Storys ist mindestens genauso wichtig wie der Content. Was mir als Fotograf jetzt eher fremd ist. Außerdem bekommt man auf Instagram kaum konstruktive Kritik, eher ♥️♥️♥️ oder 🔥🔥🔥.
Eines haben allerdings beide Plattformen gemeinsam: Junge, nackte Haut finden sie geil. Dementsprechend ist es wenig überraschend, dass Fotografen wie Andre Josselin, der “irgendwelche nackte Mädels im Gegenlicht“, Selfies im Spiegel mit der tausende von Euro teuren Leica und den neuen Nike Air Schuhen schießt, plattformübergreifend erfolgreich sind.
Engagement, Likes, Comments und andere Arten sich Druck zu machen
Im Gegensatz zu Facebook-Gruppen muss man sich für seine Sichtbarkeit auf Instagram sehr ins Zeug legen und fast schon eine eierlegende Wollmilchsau sein: Am besten man hat eine Wahnsinns-Ausstrahlung und präsentiert sich gerne vor der Kamera, ist bewandert mit Video- als auch Bilderproduktionen, hat einen spannenden, begehrenswerten Lifestyle und sieht obendrein noch gut aus.
Bei Instagram reicht es überhaupt nicht, “nur” gute Fotos zu liefern, weswegen es ein No-Go sein sollte, die Wertschätzung für die eigene Fotografie von dieser Plattform abhängig zu machen… Aber wir tun es doch und deswegen verzweifeln viele, viele FotografInnen, weil sie diesen süßen Fame und Bestätigung von der breiten Maße nicht erreichen.
Dass gerade solche FotografInnen, die gezielt massentauglichen, hochwertigen Content produzieren, verdutzt feststellen, dass sie trotzdem nicht Reichweite aufbauen, ist dabei aber auch eine der größten Stärken von Instagram: Denn damit animiert die Plattform, sich eine eigene Nische zu suchen, in einer kleinen Community Bestätigung einzuholen und sich auszutauschen. Vorausgesetzt man verzweifelt nicht dabei in den schier unendlichen Mainstream Feed aufzufallen. Alles schön und gut, aber natürlich bekommt Instagram hier auch sein Fett weg: Wer einmal seine Nische gefunden hat, läuft Gefahr nicht mehr über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Sicher in der eigenen Hashtag-Bubble
Ich kann mich noch gut erinnern, es war vor ca. zwei Jahren, da bin ich auf ihn über ein lokales Hashtag gestoßen: Ein junger Fotograf, gerade 15 Jahre und hat schon available light Portraits produziert, von welchen sich viele erfahrene FotografInnen eine Scheibe abschneiden hätten können. Begeistert beobachtete ich seine Entwicklung, bzw. wollte sie beobachten, denn wirklich weiterentwickelt hat sich leider nichts.
Denn der junge Kollege hat sich nie aus seiner Nische rausgetraut, jeder Versuch etwas anderes zu produzieren kam nicht so gut an, also hat er einfach das weitergemacht, wofür es die meisten Likes und Kommentare gab. Das ist das Problem mit Instagram und der Grund, warum ich meinen Feed so häufig umgestülpt habe in den letzten Jahren: Ich wollte schlicht nicht in einem Bildstil, der funktioniert, verharren.
Instagram beginnt dort, wo du dich festlegst
Allerdings funktioniert so Instagram. Es ist schon schwierig genug aufzufallen und wenn es FotografInnen dann endlich mal geschafft haben, Reichweite mit ihrem Content zu bekommen, dann werden die meisten von Ihnen den Teufel tun, bevor sie vom gefundenen Erfolgsrezept abweichen. Selbstdarstellung, die Marke auszubauen und ob die Optik des Feeds noch gut zueinander passt, rückt in den Vordergrund: Das muss so sein, denn hier geht Instagram erst richtig los!
Hier beginnt der schöne Teil von Instagram, der viele so hooked. Seinen eigenen Stil durchzusetzen und ein wachsendes Publikum zu gewinnen, ist nicht nur motivierend, sondern gibt auch Selbstvertrauen, belohnt die eigene Mühe und ist eine super Basis für ein Business.
Muss ich das so machen? Nein, denn Stillstand in der Fotografie bedeutet für mich langfristig Langeweile und ich weiß, es gibt noch viel Raum zu wachsen und Bereiche auszuprobieren. Großen Erfolg auf Instagram mit Fokus auf die Weiterentwicklung meiner Fotografie erhoffe ich mir allerdings nicht
Likes zahlen keine Rechnungen
Überhaupt muss man unterscheiden zwischen beruflich und innerhalb von gewissen Communitys erfolgreich. Der “Erfolg” von FotografInnen wird verschwommen, wenn sie für Ihre Publikationen in Magazinen zahlen, wenn sie in Ihrer Freizeit ausschließlich professionelle Modelle bezahlen, um vor der Kamera zu stehen, wenn sie nicht Geld mit Ihrer Fotografie verdienen oder jemanden ohne Erfahrung vor der Kamera anleiten müssen.
Gerade auf Facebook und in diversen Fotografie-Gruppen sind häufig die erfolgreichsten Aufnahmen nicht die von beruflichen FotografInnen geschossen, sondern von Hobbyisten, die eher Geld in ein Model und Location investieren, anstatt etwas damit zu verdienen: Dafür gibt Anerkennung innerhalb der Gruppen. Das ist etwas fern von der Realität beruflicher FotografInnen.
Wie finde ich gute Kritik
Der erste Schritt für gutes Feedback ist es zuzulassen. Damit meine ich, sich der Möglichkeit zu öffnen, dass man noch viel zu lernen hat und das auch möchte. Ich zum Beispiel bin nicht immer offen für Feedback, ich möchte es schon selbst einholen und im besten Fall von jemand, bei dem ich das Gefühl habe, die Person ist in eben solchen Bereichen erfahrener als ich, in die ich mich gerne noch einarbeiten möchte.
Es kann auch sehr spannend sein, jemand aus einem komplett anderen Feld der Fotografie zu befragen. Mein Stil beispielsweise ist sehr farbenfroh, weitwinklig und available light lastig, dementsprechend, finde ich es sehr spannend mir Feedback von FotografInnen einzuholen, die mit engeren Festbrennweiten, Studiolicht, minimalistischen Kompositionen und wenig Farbakzenten arbeiten.
Außerdem, betrachten FotografInnen aus einer ganz anderen Schule deine Arbeiten mit einem kompletten anderen Auge als solche, die in der eigenen Bubble arbeiten.
Feedback außerhalb des Mainstreams
Ein befreundeter Fotograf hatte einmal eine kreative Krise, die wohl viele FotografInnen kennen werden. Die Frage, warum meine Bilder nicht funktionieren, Anklang finden wie erhofft, obwohl man doch genau den Content produziert, der bei den anderen so gut geht.
Im Endeffekt hat er sich komplett von Instagram zurückgezogen, eine Pause genommen, den Großteil seiner Ausrüstung verkauft und macht jetzt mit einer einzigen, treuen Kamera-, Objektivkombination richtig geile Landschafts- und Streetaufnahmen. Gelegentlich auch Portraits, mit einem ganz eigenen Stil. Hat er jetzt mehr Follower, nein, hat er instafame, nein, hat er Spaß an der Fotografie und sich wahnsinnig weiterentwickelt, ja!
Social-Media ist überbewertet, früher hat es uns gereicht, die Urlaubsfotos den besten FreundInnen und der Familie zu zeigen, jetzt plötzlich glauben wir, unserer Fotos sind weniger Wert, wenn sie nicht möglichst viele Fremde überzeugen. Wer wundert sich denn dann, dass für viele das Thema Fotografie unter diesen Druck kaum mehr Spaß bringt.
Toleranz ist der beste Ratgeber
Meiner Erfahrung nach, sind gerade solche FotografInnen, die erfolgreich geworden sind auch toleranter gegenüber verschiedener Stile und Herangehensweisen. Sie haben gelernt, dass es für so gut wie jede Fotografie eine Nische gibt und ebensolche FotografInnen Erfolg haben, die ihren individuellen Bildlook treu geblieben sind – die auffallen und Grenzen ausreizen.
Es sind diese FotografInnen, die dir nicht den eigenen Stil aufdrücken möchten, sondern dein Potenzial erkennen und helfen können, ihn weiterzuentwickeln.