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Hilfe, ich bin Reisefotograf

Pictures of the city of San Sebastián de la Gomera, shot by the Portrait and Travel-Photographer Daniel Schubert.

(Dieser Blogeintrag wurde ursprünglich in Englisch geschrieben, wenn du der englischen Sprache mächtig bist, dann empfehle ich es den Original-Eintrag zu lesen – diesen findest du hier, ansonsten viel Spaß beim Lesen.)

Ich scherze oft mit meinen Freunden über meine Arbeit: „Freiberuflicher Fotograf, ist manchmal wie arbeitslos sein, aber jeder denkt, dass man eine unglaubliche kreative Karriere hat.“ Das liegt ganz einfach daran, dass man eben nicht durchgängig ein Shooting zu schießen hat und sich dadurch in Tätigkeiten stürzt, bei denen man nicht mehr genau weiß, ob man tatsächlich arbeitet oder sich nur eine Beschäftigungstherapie schafft (um ehrlich zu sein, könnte dieser Blog eine dieser verschwommenen Linien sein…).

Das wurde in den letzten drei Wochen bei mir noch deutlicher, denn zum ersten Mal seit Beginn meiner Tätigkeit als freiberuflicher Fotograf arbeite ich „on the road“, auf Achse, und der Arbeitsaspekt ist mir dabei ziemlich wichtig, da ich plane, einen Teil der Ausgaben für diese Reise als Geschäftsausgaben anzugeben und zu nutzen.

Ankommen in San Sebastián de La Gomera, der schönen Hafenstadt mitten im Atlantik.

Bisher war ich fast drei Wochen unterwegs, und ich habe noch mindestens acht weitere Wochen geplant, bevor ich wieder zurückfliege. Wenn ich es mir leisten kann, reise ich vielleicht noch länger (was im Optimalfall auch irgendwie von Aufträgen oder Einnahmen während der Reise finanziert werden soll).

Im Moment besuche ich die Kanarischen Inseln, nicht etwa, weil ich eine Schwäche für heißes Wetter und Strände habe (ich wurde heute von einer portugiesischen Galeere Qualle gestochen, die den süßen Spitznamen „schwebender Terror“ hat), sondern weil meine Familie mich als Kind immer hierher mitgenommen hat.

Da ich hier dann auch noch zusätzlich Familie habe, dachte ich mir, das wäre ein guter Ausgangspunkt, um Geld zu sparen und Kontakte zu den Einheimischen zu knüpfen. Vielleicht würde ich sogar einen Job vor Ort bekommen und da habe ich mir gedacht, ich nutze das Tool, um mir einen Namen als Reisender zu machen… Social Media.

Eine schnelle Ermüdung von Social Media

Ich habe mir einen Haufen neuer Social-Media-Plattformen zugelegt, in die ich mich während meiner Reise vertiefen kann. Da währen Konten auf reddit, 500px, bluesky, tumbrl und mehr. Schließlich sollte ich ja genug „Freizeit“ haben, um eine Präsenz auf diesen Plattformen aufzubauen.

Nach einer Woche habe ich schon gemerkt, dass mir das so gar keine Freude bereitet. Es macht mir keinen Spaß, Bilder irgendwo hochzuladen, nur um einen kurzzeitigen Anerkennungsschub von Fremden zu bekommen, und fühlt sich schnell wie eine langweilige Arbeitsroutine an, die ich vermeiden möchte.

Besuch eines gemühtlichen Bergdorfes auf La-Gomera. Fehlt noch ein Influencer-Daniel in leichten Leinen-Hemd und Sonnenbrille auf der Vespa?

Dazu kam ein interessantes Gespräch mit meinem Gastgeber in San Sebastian de la Gomera, in dem wir über das Privileg des Reisens von BewohnerInnen der ersten Welt sprachen und darüber, dass das öffentliche Teilen all der prall gefüllten Restaurant-Teller, atemberaubender Landschaften und aufregenden Aktivitäten, die man bei der Erkundung der Welt erlebt, eine Art neue Form von Statusspielchen/Selbstinszenierung privilegierter weißer westlicher Bürger ist.

Und das hat auch nicht gerade dazu beigetragen, dass ich über all meine fantastischen Abenteuer posten möchte (man erinnere sich an den Stich der portugiesischen Galeere), während viele meiner Freunde oder FollowerInnen aus Ländern mit geringerem Einkommen und weniger anerkannten Reisepässen ihrer 40-Stunden-Woche gehen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es nicht sehr gut funktioniert hat, mehr in den sozialen Medien zu posten. Aber wie sieht es mit Auftragsarbeiten aus?

Schwierigkeiten Foto-Aufträge in einer neuen Umgebung zu finden

Um ehrlich zu sein, hat mich diese Pleite kaum überrascht, denn es braucht seinen Einsatz um sich einen Kundenstamm aufzubauen. Was das überhaupt nicht einfacher macht ist, wenn man nur für eine begrenzte Zeit an einem Ort ist und buchstäblich niemand weiß, wer man ist oder was man tut.

Deshalb rate ich jeden, im Falle eines Abstechers in das Freiberuflertum (Abstecher, weil 80 % schnell merken, dass das Nichts für sie ist) mit einem Google Maps-Eintrag zu beginnen. Das ist wohl eine der einfachsten Möglichkeiten, von potenziellen KundInnen gefunden zu werden. Aber dazu braucht man eine feste Adresse, ein Luxus, den ich auf Reisen nicht habe.

Und dabei brauche ich dringend ein Einkommen, um meine neu entdeckte Liebe zu Cortada Leché y Leché zu finanzieren.

Zur Kundenakquise, die ich ausprobiert habe, gehörten zum Beispiel das direkte Anschreiben von Architekturbüros, was nicht wirklich etwas gebracht hat, aber zur Verteidigung dieser Strategie sei gesagt, dass es auf den Kanarischen Inseln fast keine Architekturbüros gibt.

Andere Ansätze waren bisher, alte Freunde aus der Familie zu fragen, ob sie Bilder brauchen oder jemanden kennen, der neue Bilder braucht, und mich auf einer Reihe von Plattformen für Freiberufler zu registrieren.

Bis jetzt, ich meine, es sind erst drei Wochen vergangen, hat keine der oben genannten Strategien funktioniert, aber das überrascht mich nicht… Es sei denn, es hat nicht funktioniert, weil ich von vornherein damit gerechnet habe, dass es scheitern würde… Quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung… In diesem Fall bin ich sehr erstaunt, dass keine meiner brillanten Taktiken funktioniert hat!

Beschäftigt bleiben mit Stock-Image Fotografie

Schließlich habe ich ein Genre der Fotografie aufgegriffen, mit dem ich mich schon lange nicht mehr befasst habe: die Stockfotografie. Technisch gesehen ist es nicht das beste Timing, um in diesen Bereich einzutauchen.

Nicht nur lassen sich Stock-Bilder heutzutage binnen Sekunden von KI produzieren, zudem bedeutet Stock-Bilder zu schießen, dass man mit FotografInnen konkurrieren muss, die Datenbanken mit abertausenden von Bildern über Jahrzehnte gefüttert haben. Ganz zu Schweigen von unzähligen Hobby-FotografInnen, die ihre Bilder kostenlos zur Verfügung stellen.

Dabei macht es doch so viel Sinn, interessante, fotogene Orte zu besuchen und einfach drauflos zu fotografieren; die historischen Sehenswürdigkeiten abzulichten. Man könnte sogar sagen man tut etwas Gutes, denn die Bilder bringen Tourismus und das kann eine großartige Einnahmequelle für die Einheimischen sein…

Wenn man nicht anfängt, das allgemeine Glück der Menschen in kapitalistischen Gesellschaften infrage zu stellen, aber damit fangen wir gar nicht erst an… Vorerst.

Wie auch immer, die Stock-Image-Fotografie war ein großartiger Puffer für mich, um mein auf Workaholic getrimmtes Gehirn zu beruhigen und die Stadt nicht nur zu meinem eigenen Vergnügen zu erkunden (weil „Freizeit“ ja ein No-Go ist). Aber apropos Freizeit:

Fast den Verstand verloren, in einem deutschen Touri-Ressort

Ein Ort, der mich fast in die Knie zwang, war die touristische Stadt Valle Gran Rey, die auch außerhalb der Saison von deutschen Touristen dominiert wird. Familie und Freunde sagten mir unzählige Male, „du musst mal zur Ruhe kommen und in deinem Urlaub entspannen“, „du bist viel zu getrieben, in der Natur und am Meer, wirst du zu dir selbst finden“, usw., was mich in diese moderne, postkoloniale, deutsche Kolonie führte.

Wunderschöne Sonnenuntergänge, nette Restaurants und Bars, lange Strände und man hat den Abend für sich, denn es ist Nebensaison – und irgendwie super langweilig.

In zwei Wochen sollte ich Klarheit und innere Ruhe finden, so lange buchte ich meine Reservierung in der kleinen Stadt an der Sonnenuntergangsseite von La Gomera. Ich hielt es fünf Tage aus, bevor ich mit dem Auto zurück in die erste Stadt, San Sebastián, floh.

Ich konnte mich schlicht nicht mehr beschäftigen: Ich hatte meine Reisefotografie Bilder gemacht, bin den langen Strand rauf und runter geschwommen, war in den Bergen in der heißen Mittagssonne (nicht meine klügste Entscheidung, muss ich zugeben).

Es gab fast nichts für mich zu tun, zumindest was die Arbeit betrifft. Und während mir alle sagten: „Ja, perfekt, jetzt bist du gezwungen, zur Ruhe zu kommen und inneren Frieden zu finden“, hatte ich das Gefühl, dass der ganze Frieden, den ich hier finden werde, auf dem Flaschenboden eines 1-Liter-Dorada-Pils liegt.

Ich werde herunterkommen, auf meine Art

Daraus habe ich eine wichtige Lektion gelernt: Manchmal kommt es nicht auf einen selbst an, sondern einfach auf den Ort, an dem man sich befindet, und auf den Zeitpunkt, zu dem man diesen Ort besucht.

Es gibt Orte, an denen man Ruhe und inneren Frieden finden kann, aber manchmal muss man danach suchen, anstatt auf andere zu hören, wo sie meinen, dass man zu sich selbst findet: Für mich bestimmt nicht, neben schreienden Kindern an einem Pool und umgeben von anderen Deutschen, die mit Souvenirverkäufern feilschen.

Meine Art von innerem Frieden ist es, aktiv zu sein, getrieben zu werden und gestresst zu sein, was völlig in Ordnung ist. Deshalb ist das nächste Ziel auch Marokko, hopping zwischen den größten Metropolen, und wenn ich auf dem Weg dorthin einen Ort finde, an dem ich zur Ruhe kommen kann, dann ist das schön, aber ich habe es satt, mich zu stressen, weil ich gestresst bin (und die nächste Person, die mir einen Monolog über die Selbstfindung auf Reisen hält, bewerfe ich mit einer portugiesischen Galeere).

Danke fürs Lesen, und wenn du tiefer in den eigentlichen Beruf des Fotografen und Freiberuflers eintauchen möchtest und was er mit Dating-Apps gemeinsam hat, klicke hier.

Shooting mit Alex Soller und Sophie Dean in München.
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